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Saturday, May 29, 2021

Was die Glyphosat-Entscheidung für Bayer bedeutet - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer hat in seinem mehr als 11 Milliarden Dollar schweren Vergleich rund um das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup einen herben Rückschlag erlitten. Weil ein Bundesrichter in San Francisco den Vorschlag für eine Vereinbarung zwischen Bayer und Klägeranwälten von Krebspatienten zum Umgang mit zukünftigen Klagen zurückgewiesen hat, muss das Unternehmen nun umsteuern. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Jonas Jansen

Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

Ist der Vergleich damit geplatzt?

Nein, nicht komplett. Mit rund 96.000 der insgesamt mehr als 125.000 Kläger hat Bayer schon eine Einigung erzielt, dafür zahlt das Unternehmen rund 9,6 Milliarden Dollar. Zunächst ändert der Dax-Konzern auch nichts an seiner Strategie, weitere 2 Milliarden Dollar für den Umgang mit zukünftigen Klägern bereitzustellen. Jedoch kann Bayer wegen der Entscheidung des Richters noch keinen Schlussstrich unter den Gerichtsstreit ziehen.

Ursprünglich war in der Vereinbarung eine medizinische Betreuung zur möglichst frühzeitigen Diagnose von Krebsfällen sowie Entschädigungen von Erkrankten vorgesehen. Für Bayer war aber auch wichtig, dass etwaige künftige Kläger keine „Punitive Damages“ erstreiten können, also eine Strafe, die im amerikanischen Recht oft zusätzlich zum eigentlichen Schadenersatz verhängt wird, wie das in den bisherigen drei Gerichtsverfahren um Roundup der Fall war.

Das ist alles vom Tisch. Das Unternehmen will allerdings weiterhin ein Expertengremium einrichten, das sich mit der Frage befasst, ob Bayers Glyphosat-Produkt Roundup überhaupt Krebs verursacht. „Mit der Ablehnung des Richters Chhabria sind wir in eine Sackgasse gestoßen“, sagte Bayer-Chef Werner Baumann in einer Telefonkonferenz am Donnerstagvormittag. Nun gehe das Unternehmen einen anderen Weg. „Wir sind jetzt selbst verantwortlich und können kontrollieren, wie wir das Ergebnis gestalten“, sagte Baumann.

Kommen weitere Klagen auf Bayer zu?

Davon ist auszugehen. Es gibt noch zahlreiche Anwälte in den Vereinigten Staaten, die sich den bisherigen Vergleichsverhandlungen nicht angeschlossen haben. Außerdem dauert es meist Jahre, bis die Krebserkrankung, das Non-Hodgkin-Lymphom auftritt, weshalb es auch in Zukunft noch Anwender von Roundup geben könnte, die Ansprüche geltend machen können, weil sie erkrankt sind. Bayer versucht derweil, in zwei Fällen im Berufungsverfahren eine Entscheidung des US Supreme Courts, des Obersten Gerichts, zu erzielen. Da rechnet Bayer mit einem Urteil Mitte des kommenden Jahres. Wenn das Gericht im Sinne des Unternehmens entscheidet, könnte das Haftungsrisiken verringern, weil das Bundesrecht Vorrang hat und damit weitere Klagen aus niedrigeren Instanzen erschweren würde.

Bayer war in den USA in drei Prozessen wegen Krebserkrankungen nach einer Nutzung von Roundup zu hohen Entschädigungszahlungen verurteilt worden. Erst Mitte Mai hatte ein Bundesberufungsgericht in San Francisco eine Verurteilung des Konzerns zu rund 25 Millionen Dollar Schadenersatz an einen an Krebs erkrankten Kläger bestätigt.

Nimmt Bayer Glyphosat vom Markt?

Nein, aber das Unternehmen ändert seine Strategie in zwei Punkten: Zum einen beantragt Bayer bei der amerikanischen Umweltbehörde EPA, dass sie einen Link auf alle Etiketten von Glyphosat-Produkten drucken dürfen, der wiederum auf eine Seite verweist, auf der wissenschaftliche Erkenntnisse zur vielleicht krebserregenden Wirkung des Herbizids gesammelt werden.

Der Konzern ist freilich der Ansicht, dass das nicht der Fall ist und stützt sich dabei unter anderem auf wissenschaftliche Studien und den Schluss der EPA, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgehe. Die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung hingegen hatte 2015 konstatiert, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ sei. Solche Erkenntnisse sollen zusammen mit den Ergebnissen des wissenschaftlichen Expertengremiums dann abrufbar sein. Ein „Warnhinweis“ auf jedem Etikett, wie es etwa der Richter Chhabria vorgeschlagen hatte, ist nach Angaben von Bayer nach derzeitigem Stand nicht gestattet, weil die EPA keinen Grund dafür sieht, vor Glyphosat zu warnen.

Für private Anwender plant Bayer zudem, die Zusammensetzung von Glyphosat zu ändern, wie das Unternehmen nun mitteilte. Das hat auch prozesstaktische Gründe: Denn mehr als 90 Prozent der Kläger geben an, Roundup zu privaten Zwecken genutzt zu haben. Damit soll es künftig also verschiedene Roundup-Varianten geben. Die Zusammensetzung auch für Landwirte zu ändern, lehnt das Unternehmen mit dem Hinweis darauf ab, dass das Produkt in der jetzigen Form nötig wäre, um wirksam den Ackerbau zu gewährleisten. Ohne Glyphosat müsse etwa deutlich mehr gepflügt werden, was wiederum den Kohlenstoffdioxidausstoß erhöhen würde.

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Einen Rückruf von aktuellen Produkten oder eine Auslistung soll es hingegen nicht geben. Wie lange es dauert, bis ein Hinweis auf dem Etikett steht oder die Zusammensetzung des Produkts für Privatanwender geändert ist, wollte Bayer zunächst nicht beziffern.

Gerät Bayer-Chef Werner Baumann nun stärker unter Druck?

Baumann war immer ein Verfechter der rund 63 Milliarden Dollar schweren Übernahme von Monsanto im Jahr 2018 und ist es bis heute. Das hatte ihm wiederholt Kritik von Aktionären eingebracht. Der Streit um Glyphosat hatte sogar dazu geführt, dass dem Vorstand 2019 auf der Hauptversammlung die Entlastung verweigert wurde. Auf den letzten beiden Aktionärstreffen wurde er aber in seiner Strategie bestätigt. Gleichwohl könnte der abermalige Rückschlag die Diskussion um Baumanns Zukunft im Konzern wieder anheizen. Der Vertrag des Managers wurde im letzten Jahr bis zur Mitte des Jahres 2024 verlängert, auf Wunsch Baumanns mit einer kürzeren Vertragslaufzeit.

Was bedeutet die Situation für Aktionäre?

Weil sich das operative Geschäft zuletzt besser als erwartet entwickelt hat, konnte sich die Aktie etwas erholen. Doch der Glyphosat-Streit lastet schwer auf dem Kurs. Am Donnerstag lag die Aktie mehr als 4 Prozent im Minus. Mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 52 Milliarden Euro ist das Unternehmen weniger Wert, als es für Monsanto bezahlt hat. Vom Höchstkurs ist die Aktie weit entfernt. Von einer Erholung des Kurses mit Beilegung des Glyphosat-Streits waren viele Analysten ausgegangen – das ist nun abermals in weite Ferne gerückt.

Könnte Bayer selbst zum Übernahmeobjekt werden?

Der Hauptkritikpunkt an der Monsanto-Übernahme ist das Rechtsrisiko, das sich Bayer damit eingehandelt hat. Das wiederum dürfte auch Konkurrenten daran hindern, Bayer als Übernahmeziel zu sehen. Eine Aufspaltung des Konzerns wird von einigen Aktionären immer wieder gefordert, wogegen sich der Vorstand jedoch vehement wehrt. Der Konzern könne sein Potential mit dem Agrar- und Pharmageschäft gemeinsam am besten entwickeln, vor allem mit Blick auf zukünftige Innovationen mithilfe der Gentechnik und Biotechnologie.

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