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Sunday, June 20, 2021

Bertelsmann: Liz Mohn übergibt das Zepter an Sohn Christoph - Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Er zählt zu den weltweit grössten Medienunternehmen, und doch kontrolliert ihn noch immer die Gründerfamilie: der Bertelsmann-Konzern. Nun wird ein Generationenwechsel vollzogen.

Per 21. Juni übergibt Liz Mohn das Zepter an ihren Sohn Christoph Mohn.

Per 21. Juni übergibt Liz Mohn das Zepter an ihren Sohn Christoph Mohn.

Bertelsmann

Ob Sie einen RTL-Sender gucken, in einem «Geo»-Heft blättern, den jüngsten Roman von John Grisham lesen oder das neue Album von «No Angels» hören: Sie sind Kunde des deutschen Bertelsmann-Konzerns. Er zählt zu den grössten Medienunternehmen der Welt und steht vor zwei wichtigen Daten in der 186-jährigen Unternehmensgeschichte: Am 29. Juni wäre der einstige Firmenpatriarch Reinhard Mohn 100 Jahre alt geworden, was mit einem biografischen Werk des Wirtschaftshistorikers Joachim Scholtysek («Reinhard Mohn – ein Jahrhundertunternehmer») gewürdigt wird.

Einige Tage zuvor, am 21. Juni, vollziehen die Eigentümerfamilien Bertelsmann/Mohn einen Generationenwechsel: An diesem Tag übergibt Mohns Witwe Liz Mohn anlässlich ihres 80. Geburtstags das zentrale Amt des «Familiensprechers» und den Vorsitz im Lenkungsausschuss der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft (BVG) an ihren Sohn Christoph Mohn.

Das Machtzentrum

Die BVG ist das eigentliche Machtzentrum des Konzerns, der trotz seiner Grösse und gelegentlichen Flirts mit Börsengang-Ideen bis heute ein Familienunternehmen geblieben ist. 1993 hat Reinhard Mohn einen grossen Teil seiner Kapitalanteile an die 1977 gegründete gemeinnützige Bertelsmann-Stiftung übertragen. Heute hält die Familie Mohn noch 19,1% des Kapitals, 80,9% halten Stiftungen (Bertelsmann-Stiftung, Reinhard-Mohn-Stiftung, BVG-Stiftung). Doch die Stimmrechte liegen zu 100% bei der BVG, die die Interessen der Familie wahrnimmt und die grossen strategischen Linien für den Konzern festlegt.

Im Lenkungsausschuss der BVG sitzen neben drei externen Mitgliedern drei Familienvertreter: Liz Mohn sowie mit Christoph und Brigitte Mohn zwei ihrer Kinder. Als Familiensprecherin hatte Liz Mohn ein Vetorecht, das sie laut Firmenangaben aber nie benutzen musste. Nun geht dieses Recht auf Sohn Christoph über; es kann also nichts gegen den Willen der Familie beschlossen werden. Auch im 13-köpfigen Aufsichtsrat des Bertelsmann-Konzerns sitzen die drei erwähnten Familienmitglieder; hier hat Christoph Mohn den Vorsitz. Die operative Führung hingegen liegt nicht mehr in den Händen der Familie, seit Reinhard Mohn den Vorstandsvorsitz 1981 an einen externen Manager abgegeben hat. Seit 2012 wird diese Funktion von Thomas Rabe ausgeübt.

Gründungsjahr 1835

Gegründet worden ist das Unternehmen 1835 als C. Bertelsmann Verlag vom Drucker und Buchbinder Carl Bertelsmann. Sitz war und ist die Stadt Gütersloh in Nordrhein-Westfalen. Der Stab ging weiter an seinen Sohn Heinrich Bertelsmann und danach an dessen Schwiegersohn Johannes Mohn.

Zu einer Zäsur kam es unter Heinrich Mohn, der das Unternehmen ab 1921 in vierter Generation führte: Der Verlag gab während der Zeit des Nationalsozialismus auch völkisch-nationale, teilweise auch antisemitische Literatur heraus und wurde unter anderem mit «Feldpostausgaben» für die kämpfende Truppe zum grössten Bücherlieferanten der Wehrmacht, wie auf der Firmenwebsite nachzulesen ist (diesen Teil der Firmengeschichte liess der Konzern von einer Historikerkommission aufarbeiten, die 2002 ihre Ergebnisse vorlegte). 1944 wurde der Verlag im Zuge eines Prozesses wegen illegaler Beschaffung von Papiervorräten und im Rahmen der Mobilmachung der ganzen deutschen Wirtschaft geschlossen.

Reinhard Mohn hält 1947 eine Ansprache an seine Mitarbeiter.

Reinhard Mohn hält 1947 eine Ansprache an seine Mitarbeiter.

Bertelsmann

Im März 1946 erhielt das Unternehmen eine Verlagslizenz der britischen Militärregierung; in deren Auftrag nahm es den Betrieb mit dem Druck von Bekanntmachungen und Schulbüchern wieder auf. Heinrich Mohn verschweigt zunächst fördernde Mitgliedschaften in Nazi-Organisationen wie der SS und dem Bund Deutscher Mädel. Er muss die Führung abgeben an seinen Sohn Reinhard Mohn, der aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt ist, mit Jahrgang 1921 unter die «Jugendamnestie» der Alliierten fällt und 1947 in fünfter Generation die Verlagsleitung übernimmt.

Ein Werbewagen des Bertelsmann-Leserings im Jahre 1954.

Ein Werbewagen des Bertelsmann-Leserings im Jahre 1954.

Bertelsmann

Ausbau zum Medienkonzern

Auf eine Buchabsatzkrise nach der Währungsreform reagiert Reinhard Mohn 1950 mit der Gründung eines Leserings. In den folgenden Jahrzehnten baut er Bertelsmann durch organisches Wachstum und Übernahmen sukzessive von einem mittelständischen Verlagshaus zu einem international tätigen Medienkonzern aus. Immer wieder erschliesst er neue Geschäftsfelder und neue Märkte. Heute beschäftigt Bertelsmann rund 130 000 Mitarbeiter in etwa 50 Ländern, die letztes Jahr einen Umsatz von 17,3 Mrd. € erwirtschaftet haben.

Anteile am Konzernumsatz 2020 (in %)

0 10 20 30 Deutschland USA Frankreich Grossbritannien Übrige Europ. Länder Sonstige Länder Land

Der Konzernverbund umfasst derzeit folgende Bereiche

  • Radio- und Fernsehgruppe RTL Group: Zu ihr zählen unter anderem Beteiligungen an 67 Fernsehsendern (darunter RTL,Vox, N-TV und M6) und 38 Radiostationen.
  • Penguin Random House: Grösste Publikumsverlagsgruppe der Welt mit über 300 eigenständigen Buchverlagen.
  • Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr: Einer der führenden Magazinverlage Europas mit rund 500 gedruckten und digitalen Medienangeboten, darunter Titel wie «Stern», «Geo» oder «Brigitte».
  • BMG: Laut Firmenangaben mittlerweile der viertgrösste Musikverlag der Welt.
  • Weitere Bereiche: Dienstleistungsanbieter Arvato, Bertelsmann Printing Group, Bertelsmann Education Group, Venture-Capital-Arm Bertelsmann Investments.

2002 hat Reinhard Mohn die Schlüsselposition der Familiensprecherin in der BVG an seine Ehefrau Liz übertragen. Diese übernahm neben ihrem Engagement für wohltätige Zwecke zunehmend auch Funktionen in Konzern und Stiftung. Die vielleicht wichtigste unternehmerische Entscheidung in der Funktion als Sprecherin traf sie 2006: Bertelsmann kaufte für 4,5 Mrd. € eine 25,1%-ige Beteiligung am Unternehmen zurück, die damals der belgischen Holding Groupe Bruxelles Lambert gehörte. Seither ist das Unternehmen wieder vollständig im Besitz von Stiftung und Familie.

Reinhard Mohn 2007

Reinhard Mohn 2007

Bertelsmann

2009 stirbt Reinhard Mohn. In der Folge repräsentiert seine Witwe Liz Mohn die fünfte Generation der Eigentümerfamilien.

Von Liz zu Christoph

Mit Christoph Mohn übernimmt nun die sechste Generation. Der neue Familiensprecher ist 1965 in Stuttgart geboren und hat in Münster Betriebswirtschaftslehre studiert. Er und seine Geschwister haben erst als Teenager erfahren, dass Reinhard Mohn ihr Vater ist. Zu diesem Zeitpunkt bekannte sich der Unternehmer zur langjährigen Beziehung mit Liz, mit der er drei Kinder hatte. Geheiratet hat er Liz erst 1982, nach der Scheidung von seiner ersten Frau, mit der er ebenfalls drei Kinder hatte.

Christoph Mohn begann seine berufliche Karriere bei der Bertelsmann Music Group (BMG), für die er 1992 bis 1994 in New York arbeitete. Es folgten Stationen unter anderem bei der Unternehmensberatung McKinsey. Von 1997 bis 2009 war Mohn Geschäftsführer von Lycos Europe. Dieser europäische Internetportal-Anbieter ging aus einem Gemeinschaftsunternehmen von Bertelsmann mit der amerikanischen Lycos Inc. hervor, im Jahr 2000 erfolgte ein Börsengang. Allerdings war dem Unternehmen kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Wegen hoher Verluste wurde 2008 beschlossen, es abzuwickeln und seine Teile zu verkaufen oder zu schliessen.

Keine «Buddenbrooks»

Der Generationenwechsel scheint bei Bertelsmann ohne grössere Friktionen zu erfolgen. Das ist bei Familienunternehmen nicht selbstverständlich. Gefürchtet ist das «Buddenbrook-Syndrom»: Die erste Generation baut auf, die zweite vermehrt, die dritte wirtschaftet alles herunter. Die Familien Bertelsmann/Mohn hingegen haben es bis in die sechste Generation geschafft; bereits sind auch Vertreter der siebten Generation im Konzern tätig.

Der derzeitige Übergang erfolgt zudem sanft: Christoph Mohn übernahm bereits vor dem jetzigen Schritt mit einem Sitz im Aufsichtsrat von Bertelsmann und 2013 mit der Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes etappenweise Verantwortung. Liz Mohn wiederum behält auch künftig einige wichtige Ämter, darunter einen Sitz im Lenkungsausschuss der BVG und im Bertelsmann-Aufsichtsrat. Der Wechsel sei ein bisschen so, als stiege Prinz Charles doch noch zu Lebzeiten der Queen zum König auf, frotzelte der «Spiegel». Apropos «Spiegel»: Auch an der Spiegel-Gruppe hält Bertelsmann über den Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr eine Beteiligung.

Sie können dem Berliner Wirtschaftskorrespondenten René Höltschi auf Twitter folgen.

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