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Wednesday, October 27, 2021

„Sanieren muss Massenprodukt werden“ - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben viele Leben genommen und Ortschaften umspült. Dauert der Wiederaufbau lange, weil Straßen, Brücken und Häuser anders geplant werden müssen, um einer solchen Flut standzuhalten?

Jan Hauser

Redakteur in der Wirtschaft.

Die Bauindustrie setzt all ihre Kraft ein, um den Menschen in den Katastrophengebieten schnell und unkompliziert zu helfen. Unsere Unternehmen sind vor Ort – unabhängig davon, ob es um Aufräumarbeiten, Absicherungen von Straßen, Hängen, Wohngebieten geht oder ob Behelfsbrücken errichtet werden müssen. Weit über die betroffenen Regionen hinaus haben unsere Mitgliedsunternehmen verfügbare Kapazitäten an Personal und schwerem Gerät an die Krisenstäbe in den Ländern gemeldet, die alles Weitere koordinieren. Das betrifft die Soforthilfe. Mittelfristig stehen wir als Bauindustrie nicht nur mit unseren Baukapazitäten zur Verfügung, sondern auch mit unserer Erfahrung, um die Planungen für zukünftigen verbesserten Katastrophenschutz optimieren zu können.

Zusätzliche Aufträge kommen auf die Bauindustrie zu, deren Kapazitäten ohnehin eng sind. Auch Holz, Stahl und viele Baustoffe werden knapp. Steigen die Preise und Kosten stärker als bisher?

Im Rahmen der Ifo Konjunkturumfrage haben viele der befragten Baufirmen angegeben, dass ihre Produktion durch Materialknappheit behindert wird. Es mangelt vor allem an Bauholz sowie erdölbasierten Produkten aus Kunststoff und an Metall. Gleichzeitig sind seit Jahresbeginn die Preise für diese Baumaterialien bis um die Hälfte gestiegen, bei Bauholz teilweise sogar noch stärker. Dies verteuert das Bauen für Bauherren und Bauunternehmen, die bei abgeschlossenen Verträgen den Preisanstieg oft nicht an die Auftraggeber weitergeben können.

Strabag-Vorstand Peter Hübner ist auch Präsident der deutschen Bauindustrie.

Strabag-Vorstand Peter Hübner ist auch Präsident der deutschen Bauindustrie. : Bild: dpa

Gebäude rücken immer mehr ins Blickfeld von Umweltschützern. Wie wird die Bauindustrie klimafreundlicher?

Im Gebäudesektor liegt einer der größten Hebel für den Klimaschutz in Deutschland. 75 Prozent aller durch Gebäude verursachten Treibhausgasemissionen fallen heute im Gebäudebetrieb an, vor allem durch Heizen und Kühlen. Daher muss der Gebäudebestand dringend flächendeckend energetisch saniert werden – bis 2034 gehen wir von einer erforderlichen Vervierfachung der heutigen Sanierungsrate aus. Nur mit einer deutlichen Weiterentwicklung unserer bisherigen Bauweise hin zu industriellen Verfahren werden wir dies bewältigen. Wir als Bauindustrie beschäftigen uns daher intensiv mit dem Thema serielles Sanieren. Energetisches Sanieren muss endlich ein Massenprodukt werden: leicht erhältlich, leicht umsetzbar, kostengünstig und risikofrei kalkulierbar für die kommenden Jahrzehnte. Wir erarbeiten gerade intensiv mit unseren Unternehmen, mit Wohnungsbaugesellschaften, Kommunen und der Politik Konzepte, wie wir die erforderlichen Skaleneffekte erreichen können. Natürlich betrachten wir auch, was in der Baustoffherstellung, beim Transport und im Bauprozess an Emissionen anfällt. Hier müssen wir besser werden, durch innovative Technologien, Materialien, Bauverfahren und umweltschonende Antriebe. Letzten Endes muss die Zertifizierung der Gebäude im Planungs- und Bauprozess wie von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zum Standard werden.

Braucht es auf dem Bau mehr Holz, oder sollen vor allem Gebäude saniert werden, um CO2 zu sparen?

Beides. Wir müssen mehr sanieren, das ist klar. Aber natürlich werden wir auch auf Neubau nicht verzichten können, wenn wir den Bedarf an kostengünstigem Wohnraum decken wollen. Deshalb müssen wir auch die Klimabilanz beim Neubau deutlich verbessern. Auf den ersten Blick scheint der Holzbau unter diesem Aspekt besser abzuschneiden als Materialien wie Beton und Mauerwerk. Deshalb gibt es auch seit einiger Zeit einen regelrechten Hype um den Holzbau in Deutschland. Wenn man es genauer betrachtet, stellt man jedoch fest, dass massive Baustoffe in puncto Wärmespeicherfähigkeit, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit viele Eigenschaften ha­ben, die viele Pluspunkte bringen. Eine aktuelle Studie belegt, dass bei einer Betrachtung über eine Lebensdauer von 80 Jahren Mauerwerkshäuser „nachhaltiger“ sind als Holzhäuser. Hinzu kommt, dass sich auch die energetisch problematische Herstellung von manchen Baustoffen derzeit rasant weiterentwickelt. Man muss das also differenziert betrachten. Optimal ist sicher eine Kombination der jeweils geeignetsten Materialien in Hy­bridbauweise. In der Bauindustrie plädieren wir stets für Technologie- und Innovationsoffenheit. Quotenregelungen sind da zu kurz gedacht und führen in technische Sackgassen.

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