Die Smartwatch setzt fast 20 Jahre nach den ersten Modellen von Microsoft und sieben Jahre nach dem Markteintritt von Apple zum finalen Siegeszug über die klassische Armbanduhr an. Die Nutzung der multifunktionalen, schlauen Geräte fürs Handgelenk ist in den letzten Monaten geradezu sprunghaft gestiegen, wie eine Marktstudie der Unternehmensberatung Deloitte zeigt.
Nur noch 39 Prozent der Konsumenten sagten in einer für die Studie im August durchgeführten Umfrage, dass sie traditionelle Armbanduhren tragen. Im Vorjahr lag dieser Anteil noch bei 46 Prozent. Gleichzeitig schnellte der Anteil der Smartwatch-Nutzer von 15 auf 24 Prozent hoch.
Setzt sich der Trend fort, werden Smartwatches die Armbanduhr in wenigen Jahren bis auf Marktnischen verdrängt haben. Das ist eine gute Nachricht vor allem für Apple und eine weniger gute Botschaft für die schrumpfende Branche in Deutschland.
„Die deutschen Uhrenhersteller, in der Regel kleine oder mittelständische Unternehmen, können sich durchaus auf ihre Stärken fokussieren“, spricht Deloitte-Partner Karsten Hollasch den Firmen zwar Mut zu. Präzision, guter Service und das Qualitätssiegel „Made in Germany“ seien im mittleren bis höheren Preissegment nach wie vor wichtige Mittel, um sich von der Konkurrenz abzuheben.
Apple dominiert den Weltmarkt für Smartwatches
Doch bisher hat das nicht gereicht. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes stürzte der Umsatz der Branche mit noch knapp 3000 Beschäftigten im vergangenen Jahr um annähernd 20 Prozent auf 364 Millionen Euro ab. Die Ausfuhren fielen um 14 Prozent.
Eine Chance für die noch gut drei Dutzend Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern besteht nach Einschätzung der Berater darin, auf Nachhaltigkeit bei Produktion und Verpackung zu setzen, Abo-Modelle anzubieten in den Vertrieb zertifizierter gebrauchter Uhren einzusteigen.
Bei Smartwatches spielen deutsche Hersteller praktisch keine Rolle. Apple dominiert hier den Weltmarkt nach Zahlen des Marktbeobachters Counterpoint Research mit knapp 30 Prozent im zweiten Quartal 2021. Mit weitem Abstand und Anteilen von jeweils unter zehn Prozent folgen Huawei, Samsung, Imoo und Garmin - alles amerikanische oder asiatische Konzerne.
Jüngere Konsumenten bevorzugen die schlauen Geräte fürs Handgelenk schon länger, doch inzwischen greifen auch gereifte Jahrgänge häufiger zu. Binnen Jahresfrist erhöhte sich der Anteil der Nutzer aus der Baby-Boomer-Generation (Jahrgang 1964 und früher) nach der neuen Studie um mehr als das Doppelte, von fünf auf zwölf Prozent.
Unter den jüngeren Konsumenten trägt bereits jeder Dritte eine Smartwatch. Im Vorjahr war es erst jeder Vierte. „Die Welle ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Haushalte während der Pandemie Ersparnisse angesammelt haben und es gleichzeitig den Wunsch gab, das eigene Fitness-Level in einer Zeit nachzuvollziehen, in der Mannschaftssport verboten und Fitness-Studios geschlossen waren“, heiß es in der Analyse.
Das passt zu den Antworten der Konsumenten auf die Frage, wie sie ihre schlaue Uhr nutzen. Fitness- und Gesundheitsfunktionen stehen ganz oben auf der Liste mit leichtem Abstand vor dem Austausch von Botschaften. Notfall-Rufe, kontaktloses Zahlen, modische Gründe und Navigation spielen eine eher untergeordnete Rolle.
„Bei Luxusuhren geht es um Status und die Liebe zur Perfektion“
Auch das Anzeigen der Uhrzeit, das in der Liste der potenziellen Nutzungsmöglichkeiten nicht mehr auftaucht, ist möglich. Aber das kann auch jedes Handy. Jeder vierte verzichtet denn auch ganz auf Uhr oder Smartwatch.
Marken wie Patek Philippe, Rolex oder A. Lange & Söhne mit oft fünf- bis sechsstelligen Preisschildchen sind vom Vordringen der elektronischen Parvenus so gut wie nicht betroffen. Wer sich eine Luxusuhr zulege, hegt in der Regel andere Motive als möglichst viele Funktionen nutzen zu können, vermuten die Autoren der Studie wohl zurecht.
„Bei Luxusuhren geht es um Status und die Liebe zur Perfektion“, heißt es dort. Die wenigen verbliebenen deutschen Hersteller können sich allerdings auch in diesem Punkt nicht auf das Käuferpublikum in ihrem Stammmarkt verlassen.
Auf die Frage, worauf sie beim Kauf einer Luxusuhr achten würden, landeten Design und Markenimage erst auf den Plätzen zwei und drei. „Überwältigend im Vordergrund steht das Preis-Leistungs-Verhältnis“, so die Ergebnisse.
Deloitte führte die Umfrage zusammen mit der Uhren- und Schmuckplattform Inhorgenta Munich im August dieses Jahres durch. Befragt wurden 500 Konsumenten in Deutschland und 5000 weitere in zehn weiteren Ländern, darunter Großbritannien, Italien, China, Japan, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate. Zugleich flossen die Ergebnisse von Interviews mit Managern der Uhrenindustrie in die Untersuchung ein.
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Smartwatch: Jetzt naht das Ende der klassischen Armbanduhr - WELT
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